1-2–3–4–5–6–7–8 – Achtsamkeitsübungen
Nach zwei Jahrzehnten der Beschäftigung mit Achtsamkeit und Meditation haben wir 8 wichtige Übungen zusammengestellt. Jede dieser Übungen ist in unterschiedlicher Länge vorhanden, damit sie in deinem Alltag leicht durchführbar sind. Die kürzesten Varianten sind sogenannte „Meditations-Shots“, die weniger als 2 Minuten benötigen. So hat niemand mehr eine Ausrede, dass sich die Übungen zeitlich nicht ausgehen.
1. Achtsame Atmung
Das ist eine klassische Meditationsübung. Die Achtsamkeit auf die Atmung zu lenken bedeutet, dass wir einem ganz grundlegenden Prozess unseres Lebens Beachtung schenken. Im Gegensatz zu Entspannungsmethoden verändern wir die Atmung nicht, sondern nehmen einfach gelassen die Atembewegung und -empfindung wahr. Wenn unser Geist wandert, weil es einfach ein wenig langweilig ist, sich ganz auf die Atmung zu konzentrieren und unser Geist ständig neugierig ist, bringen wir unsere Aufmerksamkeit liebevoll zurück zur Atmung. Ich atme ein. Ich atme aus. Mehr ist hier nicht zu tun. Der Zen-Meister Shunryu Suzuki hat so wundervoll gesagt: „Was wir Ich nennen, ist nur eine Schwingtür, die sich bewegt, wenn wir einatmen und ausatmen.“
Besondere Wirkung: Schärft den Fokus und die Fähigkeit zum radikalen Single-Tasking
2. Achtsame Geistesgegenwart
Wieder ein Klassiker der Meditationskunst. Das Nicht-Anhaften an den eigenen Gedanken, die Nicht-Identifikation mit den eigenen Gedanken wird geübt. Dadurch etablieren wir einen inneren Zeugen, eine innere Zeugin, der/die achtsam die gedanklichen Bewegungen wahrnimmt und gelassen ziehen lassen kann. Wir sind dann nicht unsere Gedanken, wir haben Gedanken und können entscheiden, ob wir ihnen Aufmerksamkeit schenken wollen oder nicht. Mark Twain hat dazu passend einmal gesagt: „Ich habe die fürchterlichsten Dinge erlebt, aber die wenigsten davon sind je eingetreten.“
Besondere Wirkung: Das Selbst-Bewusstsein wird verbessert, da ich mir meiner eigenen Gedanken bewusst werde.
3. Achtsame Körperwahrnehmung
Bei dieser Übung gehen wir einfach unseren Körper durch, wir scannen die Empfindungen. Wieder muss nichts verändert werden, es wird einfach nur wahrgenommen wie die aktuellen Körperempfindungen sind, vom Kopf bis zu den Zehen.
Besondere Wirkung: Die Beziehung zum eigenen Körper und den Empfindungen wird achtsam gestaltet. Gelassenheit bezüglich der eigenen Körperlichkeit wird geübt.
4. Achtsame Sinneswahrnehmung
Diese Übung ist eigentlich von Betty Erickson, der Tochter von dem berühmten Begründer der modernen Hypnotherapie Milton Erickson, entwickelt worden. Bei dieser Übung nehmen wir die Hauptsinne Sehen, Hören und Fühlen als Meditationsgegenstand her und lassen uns durch die sinnlichen Erfahrungen ins Hier und Jetzt führen.
Besondere Wirkung: Die Fokussierung auf die eigenen Sinne bringt uns ganz zu Sinnen, unterbricht effizient Grübeleien und hilft beim „Abschalten“.
5. Achtsame Gefühlswahrnehmung
Nicht wir haben Gefühle, die Gefühle haben uns. Dann ist es Zeit für diese Übung. Der Zen-Meister Thich Nhat Hanh hat diese Übung empfohlen, wenn wir mit starken Emotionen zu tun haben. Er lehrte, dass wir dann die Emotionen halten sollten wie eine Mutter ihr schreiendes Baby. Sie würde es nie loslassen! Sie nimmt das Weinen wahr und sie achtet gut auf das Weinen. Genau das können wir zu uns selbst sagen: „Ich nehme das Gefühl wahr und ich achte gut darauf“.
Besondere Wirkung: Diese Übung verbessert die Gefühlssteuerung, indem wir nicht steuern sondern uns mit den eigene Gefühlen verbinden, sie beobachten und sich verwandeln lassen.
6. Achtsame Aktivität
Der indische Weisheitsgelehrte und Philosoph Jiddu Krishnamurti hat einmal gesagt, dass das Sitzen in einer Ecke mit geschlossenen Augen gar keine Meditation ist. Denn die meditative Praxis hat im Alltag stattzufinden – dafür üben wir. Die Achtsamkeit in alltäglichen Aktivitäten zu entwickeln, ist die höchste Kunst. Dafür ist es notwendig, dass wir radikales Single-Tasking betreiben. Wie bei der Atemmeditation richten wir hier unsere Aufmerksamkeit ganz auf einen Gegenstand. In Wien sagt die Sprecherin in der U-Bahn übrigens immer: „Seien Sie achtsam, da ist ein Spalt zwischen Bahnsteig und Tür.“ – das darf uns daran erinnern, dass wir selbst das Ein- und Aussteigen als Achtsamkeitspraxis verwenden könnten.
Besondere Wirkung: Radikales Single-Tasking wird trainiert und schärft unseren Fokus und macht Flow-Erleben, also Selbstvergessenheit, wahrscheinlicher.
7. Achtsame Allgegenwart
In dieser Übung spielen wir mit zwei Aspekten der Achtsamkeit. Erstens mit der Weite des Fokus und zweitens mit dem Zeiterleben. Im absoluten Über-Drüber-Blick – in der Adlerperspektive – spannen wir unseren Fokus so weit auf, dass wir das gesamte Leben im Blick haben können. Wir verbinden uns damit mit unserer Vergangenheit und unserer Zukunft und bleiben zentriert im Hier und Jetzt. Wir sind dann ganz gegenwärtig, also „all-gegenwärtig“.
Besondere Wirkung: Die Fokuserweiterung wirkt angstmindernd. Diese Übung ist auch empfehlenswert, wenn man ganz zu sich selbst finden möchte und wenn man wichtige Entscheidungen zu treffen hat oder Priorisierungen im Leben finden möchte.
8. Achtsame Begegnungen
Achtsamkeit hat auch eine zwischenmenschliche Dimension. Wir können einander mehr oder weniger achtsam begegnen. Die Übung des allumfassenden Mitgefühls ist eine, die nachweislich unser Empathievermögen erhöht.
Besondere Wirkung: Die Fähigkeit mit anderen mitzufühlen wird gestärkt. Die Fähigkeit zu verzeihen und den Egozentrismus zu lösen ebenfalls.